Grüne Fernwärme als wichtiger Baustein der Wärmewende
Fernwärme aus erneuerbaren Energien und unvermeidbarer Abwärme kann einen wichtigen Beitrag zur Wärmewende leisten. Vor allem in verdichteten, urbanen Gebieten kommt dem Ausbau und der Dekarbonisierung von Wärmenetzen hohe Bedeutung für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors zu. Voraussetzung dafür ist sowohl der Ausbau von bestehenden und neuen Netzen zur Wärmeversorgung als auch die fortschreitende Dekarbonisierung von Netzen. Vor diesem Hintergrund kann die Vermarktung spezifischer grüner Fernwärmeprodukte dazu beitragen, die Refinanzierung von Investitionen in klimaneutrale Wärmeerzeugungsquellen zu erleichtern und die Wirtschaftlichkeitslücke gegenüber dem Weiterbetrieb von auf fossilen Energiequellen basierenden Anlagen zu schließen.
Für Fernwärmekund:innen ermöglicht der Bezug eines grünen Fernwärmeprodukts, bilanziell bereits heute zu 100 % aus klimaneutralen Quellen versorgt zu werden – auch wenn sich ihr Wärmenetz noch in der Transformation befindet. Ähnlich wie im Ökostrommarkt ist diese Option nicht nur für ideell motivierte Privatkund:innen relevant, sondern auch für Unternehmenskunden, die zur Umsetzung von Klimaneutralitätsstrategien auf den Einkauf klimaneutral erzeugter Energie angewiesen sind.
Zum Download des IW³-Projektberichts „Herkunftsnachweise für grüne Fernwärme – rechtliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsoptionen
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Herkunftsnachweise für grüne Fernwärme
Im IW3-Projekt „Integrierter Wärmemarkt“ (IWM) setzte das Hamburg Institut von 2020 bis Mitte 2024 das Teilvorhaben „Grüne Fernwärme“ um. Als Pilotvorhaben für Deutschland wurde ein Herkunftsnachweisregister für grüne Fernwärme entwickelt und erprobt. Wärme-Herkunftsnachweise ermöglichen es, grüne Wärmemengen zu Gebäuden und Quartieren zuzuordnen. Die Vermarktung grüner Fernwärme als eigenständiges Produkt könnte zukünftig dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit von Projekten zur Fernwärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien und Abwärme zu verbessern.
Herkunftsnachweise für Wärme und Kälte
Herkunftsnachweise (HKN) werden auf Basis geprüfter Anlagen- und Messdaten an Anlagenbetreiber ausgestellt. Die Zuordnung von grünen Eigenschaften zu einem bestimmten Wärmeprodukt oder bestimmten Wärmekund:innen findet statt, indem Versorger Herkunftsnachweise für einen spezifischen Energieverbrauch entwerten. Dadurch lassen sich insbesondere Wärmemengen aus neuen Projekten zur Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien und Abwärme einzelnen Kunden und Kundinnen zuordnen. Wärme-HKN versetzen Erzeuger und Wärmeversorger so in die Lage, grüne Fernwärme als eigenständiges Produkt zu vermarkten. Gerade für Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität ist die Möglichkeit, bilanzierbar und somit nachvollziehbar grüne Wärme und Kälte zu beziehen, relevant. Dies trifft sowohl auf Industrieunternehmen als auch z. B. die Wohnungswirtschaft zu. Aber auch privaten Verbraucherinnen und Verbrauchern wird die Herkunft ihrer über Netze bezogenen Energie zunehmend wichtiger. Erlöse aus der Vermarktung grüner Fernwärme können die Refinanzierung des Ausbaus der klimaneutralen Wärmeerzeugung erleichtern und somit zusätzliche Dekarbonisierungsanreize setzen.
Ziel des IW3-Pilotregisters war es, Erfahrungen für die Umsetzung von Artikel 19 der Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II zu generieren. Diese fordert von den EU-Mitgliedstaaten neben Strom auch Nachweissysteme für Gase wie Biomethan und Wasserstoff sowie Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen. Zudem findet eine systematische Untersuchung von Ausgestaltungsoptionen von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen und rechtlichen Rahmenbedingungen der grünen Fernwärmevermarktung statt.
Das IW3-Wärmeregister
Ende Mai 2022 ging Deutschlands erstes Herkunftsnachweis (HKN)-Register für grüne Fernwärme in Betrieb. Die Teilnahme am Pilotregister war für Wärmeversorger und Wärmeerzeuger bis zum Projektende im Juli 2024 möglich.
Die technische Umsetzung des Registers wurde in Kooperation mit Grexel realisiert. Die Ausstellung der ersten Wärme-HKN für die Hamburger Energiewerke erfolgte im August 2022.
Vorgehen im Projekt
- Untersuchung der energiewirtschaftlichen, regulatorischen und technischen Grundlagen zur Einführung von Herkunftsnachweisen im Wärmemarkt
- Austausch mit Stakeholdern, um Erkenntnisse zu den Bedürfnissen verschiedener Marktteilnehmer auf Angebots- und Verbrauchsseite zu vertiefen
- Implementierung eines softwarebasierten Herkunftsnachweisregisters für grüne Fernwärme, welches eine rechtssichere Nachweisführung der grünen Eigenschaft von vermarkteten Wärmemengen ermöglicht
- Systematische Auswertung von Erfahrungen aus Nutzung und Betrieb des Registers
- Untersuchung von Innovationen in der Fernwärmevermarktung durch Herkunftsnachweise
Projekt-Ergebnisse im Überblick
Rahmenbedingungen und Gestaltungsoptionen für Wärme-HKN
Der im August 2023 veröffentlichte Projektbericht stellt die europäischen und deutschen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Vermarktung von grüner Fernwärme und -kälte sowie die Einführung von HKN als Instrument zum Nachweis der grünen Herkunft von thermischer Energie dar. Diskutiert werden die verschiedenen Rollen, die HKN bei der Transformation des Wärmesektors in Richtung Klimaneutralität spielen könnten. Darüber hinaus werden die wichtigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen untersucht. Dazu gehören
- der Umgang mit Netzgrenzen von Wärme- und Kälteversorgungssystemen,
- die Behandlung von Speicher- und Netzverlusten,
- die Rolle von Wärmekund:innen im HKNR,
- die HKN-Ausstellung für die Eigenversorgung mit thermischer Energie,
- die sektorenübergreifende Nachverfolgung grüner Eigenschaften bei der Energieträgerkonversion,
- die Verifizierung von Anlagen- und Messdaten in vertikal integrierten Netzen sowie
- die Umsetzung von Wärme- und Kälte-Kennzeichnungsregeln.
Für jede dieser Fragen werden die im IW3-Pilotregister gewählten Lösungen dokumentiert, mit einem Ausblick auf Schwerpunktsetzungen, die bei einer nationalen Umsetzung von Wärme- und Kälte-HKN-Systemen vorgenommen werden können.
Evaluierung des Registerbetriebs
Aus den Erfahrungen aus dem Pilotbetrieb des Registers ließen sich u.a. folgende Empfehlungen für die Umsetzung des nationalen Herkunftsnachweisregister für thermische Energie ableiten:
- Nutzung von Synergien bei Anlagenregistrierung und -verifizierung (z.B. zum Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, welches zukünftig auch auf die Wärmewirtschaft ausgeweitet wird)
- Etablierung von Schnittstellen zur Nachverfolgung von Konversionsprozessen (z.B. zum Strom-HKNR und zum künftigen Gas-HKNR sowie entsprechenden Massenbilanzsystemen für Gase)
- Möglichkeiten zur Automatisierung der Registernutzung (bspw. Einrichten von APIs zum automatisierten Datenaustausch mit Smart Metern)
Generell wurde der Nutzen des kommenden nationalen HKN-Registers für Wärme/Kälte von den Nutzenden des Registers als positiv bewertet, da mit dem Anbieten grüner Wärmeprodukte mittels HKN zur Wettbewerbsfähigkeit der leitungsgebundenen Wärmeversorgung beigetragen werden kann sowie zusätzliche Finanzströme zur Unterstützung der Dekarbonisierung realisiert werden können.
Innovationen in der Fernwärmevermarktung durch Herkunftsnachweise
Abschließend beschäftigte sich das Teilvorhaben mit der Frage, welche Innovationspotenziale sich in Bezug auf die Fernwärmevermarktung durch die Implementierung eines nationalen HKN-Registers für thermische Energie ergeben.
- Durch die Möglichkeit, grüne Energiemengen mittels HKN und entsprechender Kennzeichnung bestimmten Wärmeverbräuchen zuzuordnen, kann als Innovation im Fernwärmevertrieb eine Produktdiversifikation umgesetzt werden. Das bedeutet, es kann ein grünes Fernwärmeprodukt mit anderen Fernwärmequalitäten im Vergleich zum Basisprodukt angeboten werden.
- In Bezug auf organisatorische Innovationen lassen sich durch die Implementierung von HKN als transparentes und staatlich anerkanntes Nachweisinstrument Potenziale in der Vereinfachung der Nachweisführung im Fernwärmekontext realisieren.
- Technische Innovationen könnten sich in Bezug auf die Digitalisierung und mögliche Automatisierung von Nachweisprozessen über die Einbindung eines zentralen Registers in entsprechende Prozesse ergeben.